Biodiversität in Privatgärten

Im Rundgang durch 3 Gärten in Wallisellen die Förderung der Artenvielfalt erfahren

Worauf können wir in unserem Garten (egal ob klein oder gross) achten? Wie können wir Biodiversität trotz Bedürfnissen verschiedener Interessensgruppen (Nachbarn, Kinder, etc) fördern? Was für Alternativen gibt es zu Kirschlorbeer? Wieso blüht meine Blumenwiese nur im ersten Jahr? Wie können Lebensräume in Wallisellen vernetzt werden. Diese und ganz viele andere Fragen wurden beim Rundgang durch drei Walliseller Privatgärten am 17.5.2025 vom Fachmann Jannik Stieger von der Stiftung Wirtschaft und Ökologie SWO beantwortet. Der Artikel von Britta Bökenkamp im Anzeiger von Wallisellen vom 22.5.2025 liefert Antworten. Unten publizieren wir eine Version mit wenigen fachlichen Anpassungen. Weiter produzierte Televista einen Kurzbeitrag (ab min 1:25) mit Bildern von Dirk Rahnenführer.

Artikel für Anzeiger von Wallisellen vom 22.5.2025

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Beiträge privater Gärten für mehr Biodiversität in Wallisellen

Bei einem Rundgang durch ausgewählte private Gärten in Wallisellen zeigte ein Experte für naturnahe Gestaltung, was Gartenbesitzerinnen und – Besitzer tun können. Sie können einen Beitrag zur Erhöhung der Artenvielfalt im Siedlungsraum leisten.

Britta Bökenkamp

Der überwiegende Teil der Walliseller Gemeindefläche liegt in privaten Händen. Eine Erhöhung der Biodiversität auf diesen Flächen kann einen wichtigen Input für die Artenvielfalt leisten, während sie gleichzeitig den Nutzerinnen und Nutzern Erholungsraum bieten.

Das Forum pro Wallisellen hatte darum am Samstag, den 17. Mai zu einem Biodiversitätsrundgang eingeladen. Anknüpfend an den Themenabend Biodiversität im Juni letzten Jahres, an dem mit Fachreferaten das Thema der Biodiversität im Siedlungsraum erläutert und diskutiert wurde, sollten nun Möglichkeiten und Massnahmen für private Gärten konkret aufgezeigt werden.

Rund 30 Personen trafen sich an diesem Samstagvormittag bei schönstem Wetter, um für rund vier Stunden ihr Wissen zu vertiefen. Das Forum pro Wallisellen hatte im Vorfeld per Ausschreibung drei exemplarische Gärten – vom Umschwung eines Mehrfamilienhauses bis zu einem kleinen Einfamilienhausgarten – ermittelt. Anhand dieser zeigte Jannik Stieger von der Stiftung Wirtschaft und Ökologie, mit welchen, manchmal auch kleinen Massnahmen, bereits ein Beitrag hin zu mehr Biodiversität geleistet werden kann.

Definition Biodiversität

Die Gruppe startete an der ersten Station, ein Mehrfamilienhaus an der Allmendstrasse. Zunächst gab es eine allgemeine Einführung in das Thema. Im Austausch mit der Gruppe, klärte Jannik Stieger den Begriff Biodiversität unter dem sich alle ein wenig etwas anderes vorstellten. Er erläuterte ihn anhand der drei Säulen Artenvielfalt, Lebensraumvielfalt und Genetische Vielfalt. Da viele Lebewesen unterschiedliche Bedürfnisse haben, einige sehr spezifische, wird so deren Vielfalt erhöht werden.

Gärten als Trittsteine zur Vernetzung

Gärten können hier quasi als Trittsteine dienen und so die Vernetzung der grösseren Naturräume wie beispielsweise dem Naturschutzgebiet Moos mit dem Hardwald herstellen. Ohne diese sind die Distanzen für die überwiegende Zahl der Lebewesen zu gross um sie zu überwinden. Die Gärten bieten die Möglichkeit für Zwischenstopps zur Nahrungsaufnahme und als Ruheplätze. So kann es zu einem Austausch zwischen den verschiedenen Populationen kommen und damit die genetische Vielfalt erhöht sowie die Arten gestärkt werden. In der Summe können so viele kleine aber wertvolle Orte eine grosse Wirkung haben.  

Naturnahe Gartengestaltung im Einklang mit Nutzungsbedürfnissen

Ein Aspekt, der Jannik Stieger wichtig war ist es, dass eine naturnahe Gestaltung nicht gleichbedeutend mit einem verwilderten und für die Bewohnenden nicht mehr nutzbaren Garten ist. Eine Fussballwiese oder ein Grillplatz und natururnahe Bereiche können gut nebeneinander existieren. Dies liess sich gut an dem ersten Beispiel ablesen. Grosse alte Bäume prägen das Grundstück, deren grossen Wiesenflächen über die Jahre nicht gedüngt wurden. Dadurch wachsen bereits Margeriten auf der Wiese und zahlreiche verschiedenen Kräuter. Allerdings wurde diese bereits grossflächig weit über den Spielbereich der Kinder hinaus abgemäht und nur kleine Inseln stehengelassen. Der Tipp von Jannik Stieger, nur die Bereiche mähen, die wirklich genutzt werden. An den Rändern, insbesondere am Übergang zu Hecken und Bäumen, den sogenannten Krautsaum, stehen lassen. Diese Bereiche sind besonders wertvoll, so lernen wir, da sie am Übergang von zwei Lebensräumen liegen und damit besonders artenreich sind.

Anlage und Pflege einer Wildblumenwiese (Fromentalwiese) – gewusst wie

Die vorhandene Wiese böte zudem eine gute Möglichkeit sie zu einer Wildblumenwiese, einer sogenannten Fromentalwiese, weiterzuentwickeln. Ein Vorhaben, bei dem wahrscheinlich bereits viele – die Schreibende eingeschlossen – frustriert gescheitert sind, da bestenfalls im ersten Jahr das bunte Blumenmeer, wie auf dem Samentütchen abgebildet, zu sehen war. Im zweiten Jahr machten sich dann vor allem wieder Gräser und viel Löwenzahn breit. Hier wäre etwas mehr Wissensvermittlung zu Anlage und Pflege auf der Packung hilfreich gewesen. Der bunte Blütenflor aus Mohn- und Kornblumen, so lernen wir, ist einjährig und dient nämlich vor allem dafür, dass bereits im ersten Jahr etwas zu sehen ist. Die wirkliche Blumenwiese besteht im Wesentlichen aus zweijährigen Pflanzen, die sich erst entwickeln müssen. Dazu ist es wichtig im ersten Jahr die schöne Blütenpracht zum richtigen Zeitpunkt abzumähen, damit sie Licht erhalten. Sonst verkümmern sie. Dann ist auch später der richtige Schnitt wichtig. Das erste Mal Mitte Juni, sobald die meisten Blüten Samen angesetzt haben. Der Schnitt bleibt 3-4 Tage liegen, bis das Kraut angetrocknet und die Samen abfallen konnten. Das zweite Mal wird dann ca. 10 Wochen später gemäht. Blumenwiesen verändern sich mit der Zeit. Je nach Klima, Boden, Standort und Pflege kommen andere Blumen oder Gräser auf. Besonders mager muss der Boden jedoch nicht sein. Er sollte einfach nicht regelmässig gedüngt worden sein.

Eindrücklich sind die Zahl der Arten in den verschiedenen Wiesenformen. In einem normalen Gartenrasen sind etwas 3-5 Arten vorhanden. In einer Fromentalwiese können bis zu 60 Arten vorkommen. Eine magere Trockenwiese kann sogar über hundert Arten aufweisen. Sie alle bieten Insekten ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Und auch für solche, die auf gewisse Pflanzen spezialisiert sind.

Für den Schnitt empfiehlt Jannik Stieger einen Balkenmäher, welche diese die Wieser mit zwei Messern gerade abschneidet. Die Verwendung eines herkömmlichen Rasenmähers ist für die Insekten, bedingt durch seinen Sog, eine Todesfalle. Darum sollte auf deren Einsatz verzichtet werden. Eine Teilnehmerin fragt nach einer Handsense. Die ist natürlich ideal und – sobald man sie beherrscht, lautlos und schnell im Einsatz.

Der Wert von grossen Bäumen und Hecken aus einheimischen Gehölzen

Die grossen alten Bäume auf dem Grundstück bieten unzähligen Tieren einen Lebensraum. Auch wir genossen bald ihre wohltuende Kühle. Mit der zunehmenden Hitze, wird ihr Wert immer unschätzbarer. Ersatzpflanzungen sind zwar gut und wichtig, wenn sich ein Fällen nicht vermeiden lässt. Betrachtet man aber die Zeit, die es braucht bis ein Baum so gross ist, dass ein dichter Schattenspender ist, sollte man es sich immer mehrmals überlegen, bevor man ihn fällt

Wo immer möglich sollten einheimische Pflanzen gesetzt werden. Zwar sind exotische oft schön anzusehen und haben beeindrucken, üppige Blüten. Nur sind viele der hier lebenden Insekten auf unsere einheimischen Arten spezialisiert. Der Wert dieser Exoten für die Natur ist daher eher gering. Dies gilt auch für den von vielen geschätzten Frühlingsboten, die Forsythien. Ihre Blüten sind steril und bieten den Insekten daher gar keine Nahrung. Als Ersatz empfiehlt Jannik Stieger den Tierlibaum oder auch Kornelkirsche genannt. Auch sie blüht mit einem gelben Blütenmehr zu ähnlicher Zeit. Vielleicht nicht ganz so üppig, dafür als erster reich gedeckter Tisch für die Insektenwelt. Ein sinnvoller Ersatz für den Kirschlorlorbeer ist die einheimische Eibe, die auch als Busch geschnitten werden kann.

Invasive Neophyten

Auch der zweite Garten bietet spannende Einblicke. Hier gibt es bereits eine üppige Blumenwiese. Doch Jannik Stieger macht auf eine Pflanze aufmerksam, von der sich bei näherem Hinsehen teilweise bereits grosse Gruppen gebildet haben. Das Einjährige Berufkraut; hübsch anzusehen, ähnlich kleiner Margeriten, ist aber ein invasiver Neophyt. Eine Pflanze kann mehrere tausend flugfähige Samen bilden, die bis zu fünf Jahren im Boden überleben können. Wird eine Blumenwiese für eine Sanierung umgegraben, können diese wieder aktiviert werden. Bricht man sie nur ab, wächst sie in kürzester Zeit nach und macht grosse Rosetten. Kein Tier frisst sie. Mit Ihrer beeindruckenden Wachstumsstrategie verdrängt sie leider mehr und mehr unserer einheimischen Pflanzen. Auf Nachfrage der Besitzerin erklärt Jannik Stieger, dass hier leider nur sorgfältiges Ausreissen hilft. Und ganz wichtig, danach in den Abfallkübel und keineswegs liegen lassen oder in den Kompost. Ansonsten verhilft man ihr zu weitere Verbreitung, da sie, einmal in Blüte, schnell nachreifen kann.

Wasser im Garten, Sandlinsen und Kleinstrukturen

Im letzten Garten können wir dann noch einen kleinen Teich, eine Sandlinse, Steinhaufen und Totholz bewundern. Die Besitzerin dieses Gartens hat schon viel richtig gemacht. Diese Kleinstrukturen bieten viele verschieden Lebensräume an. Auf ihnen siedeln unterschiedlich Pflanzen von Moosen bis zu Sumpfdotterblumen, die mit der Zeit auch von alleine kommen. Die Sandlinsen, richtig angelegt, bieten seltenen Wildbienen eine Nistmöglichkeit und sind so eine Ergänzung zum Bienenhotel, welches oft verbreitete Bienenarten anlockt. Sind seine Röhren jedoch lang genug, ist es gut, um Bestäuber in den Garten zu locken.

Möglichkeiten für den Balkon

Am Ende gibt Jannik Stieger Tipps für die Bepflanzung von Balkonen. Solange genügend Licht vorhanden ist, sind hier einer biodiversen Bepflanzung fast keine Grenzen gesetzt. Sträucher, Kleinbäume wie z.B. Säulenobst, Kräuter, selbst die bunte Blumenmischung aus meinem Samentütchen kann hier wachsen. So kann auch der Balkon einen Beitrag leisten.

Initiative für mehr Biodiversität in Wallisellen

Die Stadt Wallisellen sieht in ihrer «Strategie Strassen & Plätze» bereits heute Massnahmen zur Förderung der Biodiversität vor. Dem Forum pro Wallisellen gehen die bisher getroffenen Bemühungen der Stadt Wallisellen derzeit jedoch zu wenig weit.

Darum wird das Forum pro Wallisellen wird die «Initiative für mehr Biodiversität in Wallisellen» bis zu den Sommerferien einreichen, welche die Schaffung eines übergeordneten Biodiversitätskonzepts fordert sowie die Einführung eines neuen Artikels zur Förderung der Biodiversität in der Gemeindeordnung vorsieht. Damit könnten weitere Projekte angeregt werden und insbesondere auch neue Dienstleistungen für die Bevölkerung entstehen: beispielsweise eine Naturgartenberatung, Sträucher-Eintauschaktionen oder eine Neophyten-Hotline.  

Nützliche Apps und weiterführende Links

In seiner Führung erwähnte Jannik Stieger verschieden Apps und Homepages, welche bei der Anlage, und Pflege von naturnahen Bereichen unterstützen können. Dies sind folgende:

igarten.ch: Homepage mit umfangreichen Listen einheimischer Pflanzen und deren Beschrieb

Neophyt.ch: Liste und Beschrieb gebietsfremder und problematischer Pflanzen

Bettergardens: Forschungsprojekt über die Wirkung von Privatgärten im Siedlungsgebiet, Karte zu Vernetzungsachsen

Naturadb.de: Finde die passenden Pflanzen für deinen Garten, deine Terrasse oder deinen Balkon

Themenabend Juni 2024: Wallisellen – eine Stadt auf dem Weg zu mehr Biodiversität