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Serie zum Thema Sicherheit - Teil 4

"Manche Jugendliche kennen die Grenzen nicht mehr"

Jugendgewalt und Vandalismus gehören heute zum Alltag und machen die Gesellschaft ratlos. Tätlichkeiten, Drohungen, leichte Körperverletzungen – solche "kleinen" Delikte häufen sich. Die Opfer sind meist ebenfalls Jugendliche. Welche Erfahrungen machen die Jugendlichen und die Gemeindepolizei in Wallisellen?

Interview: Jeannine Horni

Michael Kümin: Auf dem Schulweg und dem Pausenplatz wird eigentlich recht viel gepöbelt und geprügelt. Wie es jeweils dazu kommt, ist schwer zu sagen.

Janine Voigt: Ich habe schon oft mitbekommen, wie Jugendliche eine Schlägerei provozieren wollten. Es gibt immer ein paar Grossmäuler, die alleine keinen Mut haben und in der Gruppe dann voll ausfahren.

Flavio Guidon: Vor einiger Zeit wurde ein Kollege von mir auf dem Pausenplatz des Alpenschulhauses von ein paar Jugendlichen zusammengeschlagen. Und in der Badi haben ausländische Jugendliche meinen Bruder schon zweimal bedroht und ihm das Geld weggenommen.

Patrick Blum: Ich selbst hatte noch nie Probleme, aber Kollegen von mir. Einer ist an der Chilbi in Wallisellen zusammengeschlagen worden. Vorher gab es nicht mal einen Streit. Die Angreifer empfanden einfach seine Blicke als lästig. Er hat herausgefunden, dass es 14-jährige Schüler aus Wallisellen waren. Ein weiterer Kollege hatte einen gröberen Vorfall, bei dem seine Nase dran glauben musste. Die Täter waren ein paar Jugendliche, die extra von Uster nach Wallisellen kamen, weil sie hier Action suchten. Und vor kurzem haben ein paar andere Kollegen an einem Geburtstagsfest in Zürich auf die Kappe bekommen. Einige landeten im Spital. Das gibt einem schon zu denken.

Massimo Rizzi: Mich haben einmal fünf Jugendliche im Glattzentrum angehauen und Geld gefordert. Ich bin einfach weiter gegangen, und sie liessen mich in Ruhe.

Loretta Rizzi: Ich gehe seit sechs Jahren in die Kanti in Oerlikon, und in dieser Zeit wurden mir etwa sieben Velos geklaut. Oft werden Velos einfach demoliert, Bremskabel oder Sättel zerschnitten, Räder abmontiert. Viele Jugendliche haben keinen Respekt vor fremdem Eigentum. Das finde ich schlimm.

Habt ihr bei der Polizei viele Einsätze wegen Schlägereien unter Jugendlichen?

Christian Clavadetscher: Leider hören wir in der Regel erst nachträglich von solchen Vorfällen. Das Problem ist, dass die betroffenen Jugendlichen uns nicht rufen und auch keine Anzeige erstatten. Dasselbe gilt für ihre Eltern. Manche Eltern wissen vermutlich gar nichts von solchen Vorfällen.

Mark Braun: Als Jugendlicher habe ich zuhause auch nie etwas erzählt, wenn ich in Schlägereien verwickelt war. Ich musste damit rechnen, dass mich die Eltern für schuldig halten und bestrafen. Vielleicht ist es heute ja auch so.

CC: Immerhin stellen wir in unserer Arbeit fest, dass Konflikte heute vermehrt mit Gewalt gelöst werden. Gewisse Jugendliche müssen sich nur in ihrer Ehre verletzt fühlen, und schon schlagen sie zu. Diese Entwicklung kennt man ja bereits von Amerika, und sie macht mir Angst. Manche Jugendliche kennen die Grenzen nicht mehr. Seit neuestem werden gewalttätige Angriffe sogar mit dem Handy gefilmt und die Filme ins Internet gestellt.

Wer sind die Opfer?

MK: Es gibt immer ein oder zwei Jugendliche, die aus irgendwelchen Gründen allen unsympathisch sind. Die werden schnell einmal zu Opfern, und niemand hilft ihnen.

JV: Ich kenne seit dem Kindergarten einen Jugendlichen, der immer wieder geschlagen wird. Er ist psychisch nicht ganz normal, etwas langsam und hat oft übermässige Wutausbrüche. Ausserdem sympathisiert er mit den Nazis. Wenn er angepöbelt und verprügelt wird, wehrt er sich nie und erzählt auch zuhause nichts. Das nützen ein paar aus und lassen immer wieder ihre Aggressionen an ihm ab. Sie tun das immer in Gruppen, nie allein. Einmal wurde ihm sogar ein Finger gebrochen.

Kennt ihr Jugendliche, die immer wieder Gewalt anwenden? Sind es vorwiegend Ausländer?

FG: Man kann nicht generell sagen, dass es Ausländer sind, aber sicher gibt es eine Tendenz in diese Richtung. Während meiner Schulzeit waren es immer etwa die Gleichen.

PB: Als ich noch in die Oberstufe ging, gab es auch so Jugendgangs, die aufeinander losgingen und sich bestätigen wollten. Einige wenige waren Anführer, die meisten Mitläufer.

Gibt es in Wallisellen gewisse Punkte, wo sich Jugendliche nachts treffen und wo "es abgeht"?

JV: Es sind mehrere Orte. Dabei ziehen die Jugendlichen in Gruppen herum, teilen einander per Handy mit, wo sie sind, treffen sich und ziehen weiter. Und so geht es hin und her, mit Mofas, Velos oder zu Fuss.

FG: Einer dieser Punkte ist der Tambel. Dort wird regelmässig getrunken und gekifft.

Beobachtet die Polizei diese Szene?

CC: Wir versuchen so gut wie möglich Präsenz zu markieren. Solange wir uns immer wieder zeigen, passiert auch nicht viel. Und wenn es zu einem Vorfall kommt und man uns ruft, sind wir innert fünf bis zehn Minuten vor Ort.

JV: Ich denke, die meisten Leute, die Schlägereien beobachten, haben Angst, sich einzumischen und die Polizei zu rufen. Sie wollen sich nicht selbst Probleme mit den Tätern aufhalsen.

CC: Ich bin aber überzeugt, dass wir gewalttätige Jugendliche in den Griff bekommen, wenn wir anfangen, die Anonymität aufzubrechen. Ein Jugendlicher, der eine Jugendstrafe aufgebrummt erhält, wird bald aufhören zu pöbeln und zu prügeln.

Wie steht es mit Vandalenakten in Wallisellen?

CC: Letztes Jahr gab es ziemlich viele. Leider werden wir erst damit konfrontiert, wenn es schon passiert ist, und dann heisst es immer, die Polizei mache nichts dagegen.

MR: Schlimm ist die Situation am Skateplatz. Jugendliche, die dort die halbe Nacht verbringen und saufen, lassen immer Flaschen und Scherben liegen. Wir müssen jedesmal zuerst den Besen holen, damit wir skaten können. Auch das Toi-toi-WC wurde schon umgeworfen.

Wo sehr ihr die Ursachen der zunehmenden Jugendgewalt?

LR: Langeweile. Solche Jugendlichen haben keine Hobbys und sind unfähig, gute Gespräche zu führen oder sich kreativ zu betätigen. Hinzu kommt Dummheit.

JV: Langeweile ist sicher ein Grund. Man sitzt zusammen, trinkt etwas, langweilt sich und fängt dann halt einfach an zu "ginggen". Aber ich glaube auch, dass Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 sehr viele Probleme haben. Sie müssen zeigen, wer sie sind, sie müssen sich in einer Gruppe einordnen und behaupten. Da gibt es halt einige, die denken, wenn ich jemanden verdresche, dann bin ich jemand.

FG: Das ist einfach ein Alter, in dem man gegen alles ist. Man rebelliert gegen die Eltern, die Erwachsenen, die Polizei, die Gemeinde...

PB: ... ja, Probleme mit den Eltern spielen eine wichtige Rolle.

CC: Die Eltern sind schlussendlich entscheidend. Wenn sie akzeptieren, dass ihre Kinder Drogen konsumieren und mit Messern herumlaufen, können wir als Polizisten nicht mehr viel machen.

JV: Oftmals haben Eltern von solchen Jugendlichen selbst sehr viele Probleme und keine Kontrolle mehr über ihre Kinder. Aber es gibt auch Eltern, die ihre Kinder alles machen lassen, Hauptsache sie sind aus dem Haus und nerven nicht.

MB: Eine weitere Ursache für Jugendgewalt sehe ich in den heutigen Videospielen. Als Jugendlicher habe ich auch mit Game Boys gespielt, aber damals imitierten die Spiele einen Tennismatch oder Autorennen. Heute geht es meist um Kriegssituationen und Schiessereien, um Gewalt. Zusätzlich, denke ich, spielt auch die Mentalität eine Rolle. Ich habe sieben Jahre in Südamerika gelebt und dort festgestellt, dass Konflikte schneller mit Gewalt gelöst werden.

FG: Das stimmt. Viele Jugendliche ausländischer Herkunft greifen schneller zu Gewalt als Schweizer. Die Hemmschwelle ist tiefer.

JV: Ja, es gibt immer wieder Schlägereien wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Schweizern und Ausländern. Dabei geht es oft sehr schnell, bis Gewalt angewendet wird.

Was unternimmt die Walliseller Polizei präventiv gegen Jugendgewalt und Vandalismus?

CC: Bei der Kantonspolizei gibt es Spezialisten für Jugendgewalt. Aber als Gemeindepolizisten sind wir Ordnungshüter, die einschreiten, mahnen und strafen müssen. Für die Jugendlichen sind wir d' Bulle oder d' Schmier. Deshalb ist es sehr schwer, ihr Vertrauen zu gewinnen. Selbst wenn wir zu einem Vorfall gerufen werden, stellt sich immer die Frage, ob sie überhaupt erzählen, was passiert ist.

Die Gesprächsrunde: Michael Kümin (MK), 15, Oberstufenschüler; Flavio Guidon (FG), 21, Metallbauer; Christian Clavadetscher (CC), 37, Chef der Gemeindepolizei; Janine Voigt (JV), 16, Gymischülerin; Mark Braun (MB), 34, Gemeindepolizist; Loretta Rizzi (LR), 19, Gymischülerin; Patrick Blum (PB), 19, Landschaftsgärtner; Massimo Rizzi (MR), 16, Gymischüler.


 

 
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