Serie zum Thema Sicherheit - Teil 2
"In Wallisellen gibt es zahlreiche Gefahrenquellen"
Wallisellen ist eine Autostadt. Das haben die Stimmbürger zu einem
Teil sich selbst zuzuschreiben, denn im Februar 2003 lehnten sie den
Rahmenkredit zur Einführung von Tempo 30 in den Wohnzonen ab. Wo
sehen einheimische Fussgänger, Velofahrerinnen und Automobilisten
die Schwachpunkte in der Verkehrssicherheit?
Interview: Jeannine Horni
Daniel Hürlimann: Ich erachte die Umsetzung
des Verkehrskonzepts in Wallisellen als sehr mangelhaft. Vor Jahren hat
man für 3,8 Millionen Franken zwar eine Umfahrungsstrasse gebaut,
es aber unterlassen, innerorts die Kapazitäten zu reduzieren. Dies
hätte gleichzeitig mit der Eröffnung der Umfahrungsstrasse
geschehen sollen. Von daher ist Wallisellen regional gesehen ein schlechtes
Beispiel. Alles, was man sich mit dieser Politik eingehandelt hat, ist
mehr Verkehr im ganzen Gemeindegebiet.
Auch die Temporeduktion in Wohnzonen
hat es in Wallisellen schwer. Leider lehnten die Einwohner die Einführung
von Tempo-30-Zonen in den Wohnquartieren an der Urne ab, obwohl sich
der Gemeinderat sehr dafür stark gemacht hatte. Vermutlich ist ihr
Leidensdruck nicht gross genug. So wird in den Wohnquartieren weiterhin
zu schnell gefahren, weil die Dimensionierung der Strassen nicht der
erlaubten Geschwindigkeit entspricht. Die Brandenbergstrasse zum Beispiel
ist zwar eine Wohnquartierstrasse, aber fast wie eine Hauptstrasse dimensioniert,
viel zu breit für die paar Häuser, die sie erschliesst. Breite
Strassen mit freier Sicht verführen automatisch zu schnellerem Fahren
als eine Strasse, auf der die Sichtwinkel eingeschränkt sind. Die
Neugut- und die Opfikonerstrasse sind Paradebeispiele für Quartiersammelstrassen,
auf denen Tempo 50 gilt, aber oft schneller gefahren wird. Sie sind breit,
die Strecken verlaufen geradeaus und die Beleuchtung ermöglicht
eine optimale Sicht in die Weite.
Tobias Meier Kern: Als Autofahrer finde
ich im Zentrum von Wallisellen zahlreiche gefährliche Stellen. Schlecht
gelöst sind die Parkiermöglichkeiten: Auf allen Parkplätzen
muss seitlich einparkiert werden, was vor allem bei dichtem Verkehr riskant
ist und den Verkehrsfluss behindert. Zudem ist die Kreuzung mit den Ampeln
denkbar schlecht organisiert. Der Linksabbiegeverkehr ist hier sehr riskant,
vor allem, wenn es sich um einen Bus oder einen Lastwagen handelt. Als
Fussgänger wiederum muss ich zweimal ziemlich lange warten, wenn
ich die Kreuzung diagonal überqueren will. Katastrophal finde ich
den Fussgängerstreifen, der beim Bellariasteig die Neugutstrasse
quert. Er mündet auf der anderen Seite sozusagen in die Ausfahrtsstrasse
vom Bahnhof hinein. Der Rechtsabbiegeverkehr aus dieser Strasse ist eine
grosse Gefahrenquelle für die Fussgänger.
Jadwiga Romanowska: Ich bin vor allem mit dem Velo unterwegs und finde dabei die Neugutstrasse
sehr gefährlich. Es gibt keine Velostreifen, und der Verkehr ist
ziemlich dicht. Ebenfalls mit mangelnder Sicherheit zu tun hat die Tatsache,
dass mir in drei Jahren schon zweimal das Fahrrad gestohlen wurde.
Wenn
ihr die Möglichkeit hättet, was würdet ihr in den Wohnquartieren
verbessern?
DH: In den Wohnquartieren besteht meiner Ansicht nach ein
grosser Handlungsbedarf. Es muss ja nicht unbedingt eine Flächen
deckende Einführung von Tempo 30 sein, aber an kritischen Punkten
sollte man mit einer baulichen Umgestaltung der Strasse ein vorsichtiges
Fahrverhalten erzwingen. Zumindest bei den Schulen hat die Gemeinde vor
kurzem die Kreuzungen leicht erhöht, so dass Automobilisten langsamer
fahren. Ähnliche Objekte wären auch an vielen anderen Stellen
nützlich. Bei Fussgängerstreifen könnte man kleine Nasen
anbringen, damit die Fussgänger gefahrlos nach vorn treten und die
Strassensituation überblicken können. Gut gelöst ist das
bei der Kreuzung Bellariasteig/Rosenbergstrasse. Massnahmen wie diese
sind nicht allzu teuer.
TMK: Auf vielen Quartierstrassen hat man zwar
versucht, mit Parkplätzen den Verkehr zu beruhigen, jedoch die Parkfelder
nicht wechselseitig angeordnet. So entstanden lange "Korridore",
in denen ein Automobilist ohne Vortritt schnell einmal von einem entgegenkommenden
Fahrer überrascht wird, ohne ausweichen zu können.
DH: Ja,
das finde ich auch. Die Parkfelder in der Rosenbergstrasse zum Beispiel
sind eindeutig zu wenig gut versetzt. Insider nutzen das aus: Sie fahren
von der reformierten Kirche über die Bürglistrasse ins Sportzentrum
und über die Rosenbergstrasse vom Sportzentrum zur Kirche zurück.
Sie wissen genau, auf welcher Achse sie schneller voran kommen. Die wechselseitige
Anordnung der Parkplätze wäre ein Modul zur Verkehrsberuhigung,
hat aber den Nachteil, dass die Strassen bei schlechter Nutzung der Parkfelder
doch zu schnell befahren werden können.
JR: Laut einer Statistik,
die ich vor kurzem gesehen habe, nutzen immer mehr Leute das Velo. Trotzdem
wird in Wallisellen für Velofahrer nichts getan. Auf Strassen mit
viel Verkehr wäre ich froh um Radstreifen. Auf das Trottoir ausweichen
ist keine Lösung, denn das verunsichert die Fussgänger. Was
den Velofahrerinnen und -fahrern sicher auch nützt, sind verkehrsberuhigte
Strassen. Wenn die Autos langsamer fahren, fühlt man sich automatisch
sicherer. Zusätzlich könnten die Velofahrer in Wallisellen
mehr Standplätze brauchen. Vor dem Coop und Migros zum Beispiel
stehen an Wochenenden manchmal so viele Velos, dass man kaum mehr durchkommt.
Am Bahnhof wäre es schön, wenn die Velounterstände überwacht
oder besser gesichert würden. Abgesehen davon fände ich es
bereits einen Fortschritt, wenn jeder Verkehrsteilnehmer daran denken
würde, dass er auf der Strasse nicht alleine ist.
TMK: Als Fussgänger
wünsche ich mir mehr Quartierstrassen mit Trottoirs. Trottoirs fehlen
mir vor allem dann, wenn seitlich Autos parkiert sind. Da muss ich als
Fussgänger mitten auf der Strasse laufen. Wenn es keine Parkplätze
gibt, musst ich mit dem Risiko rechnen, dass die Autos zu schnell fahren.
Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich wo immer möglich
versuchen, die Idee der Organisation Fussverkehr zu realisieren: Fussgängerwege,
die mitten durch Wohnsiedlungen verlaufen und Wohnquartiere untereinander
wie auch mit dem Ortszentrum verbinden. So wäre man gar nicht gezwungen,
auf den Strassen zu laufen.
DH: Mir ist auch ein attraktives Angebot
im öffentlichen Verkehr wichtig, vor allem bei den Ortsbussen. Ein
gutes Angebot wird in der Regel besser genutzt. So könnte man in
Wallisellen irgendwann vielleicht auch am Sonntag und in Randstunden
den Ortsbus im Viertelstundentakt fahren lassen. Für die Nacht wäre
als Alternative auch ein Deal mit den lokalen Taxiunternehmern denkbar.
Die Qualität der Fahrzeuge und Publikumsanlagen spielt im öffentlichen
Verkehr ebenfalls eine grosse Rolle. Beschädigte Fahrzeuge und Objekte
sollten sofort wiederhergestellt werden. Solche Aspekte sind wichtig
für das Sicherheitsgefühl der Menschen. Es gibt nichts Schlimmeres
als Bahnstationen, in denen alles versprayt ist und Abfall am Boden herumliegt.
Die Gestaltung der Publikumsanlagen sollte darauf angelegt sein, dass
sich die Leute wohl fühlen. Ein Topbeispiel sind hier die Haltestellen
der Zuger Stadtbahn. Sie sind transparent, farbig, gut beleuchtet, chic.
Der Bahnhof Wallisellen könnte in dieser Beziehung eindeutig eine
Neugestaltung brauchen. Dabei könnte man sich ein Beispiel am Bahnhof
Uster nehmen, der mittlerweile zu einem Zentrum der Stadt geworden ist.
Hier herrscht auch am Sonntag Leben. Kommst du jedoch an einem Sonntagnachmittag
in Wallisellen an und steigst aus, fragst du: Hallo, ist hier jemand?
Das Dorfzentrum wirkt wie ausgestorben. Ich finde es erstaunlich, dass
sich das Restaurant am Bahnhofplatz leisten kann, an Sonntagen geschlossen
zu bleiben. Hier wünschte ich mir eine innovativere Gastronomie.
JR: Ja, das stimmt. Ganz allgemein wäre es schön, wenn Wallisellen
ein Herz hätte, eine Fussgängerzone, in der man auch Lust hat
eine Weile zu bleiben, anstatt nur einzukaufen und dann schnell wieder
nach Hause zurückzugehen.
Die Gesprächsrunde: Tobias Meier
Kern, 34, Steuerberater; Jadwiga Romanowska, 36, Russischlehrerin; Daniel
Hürlimann, 38, Verkehrsingenieur.
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